Der Pannwitzblick ist ein analytischer Montagefilm über Blicke, Kameraeinstellungen und das Verhältnis der Macht des Abbildenden gegenüber dem Abgebildeten: vor der Kamera und dem Auge.
Ein Film mit einer ungewöhnlichen Sprache, mit ungewöhnlichen Bildern über ein ungewöhnliches Thema: die Aussonderung von geistig und körperlich behinderten Menschen.
Im Faschismus waren es „Propagandafilme“, die - mit den Theorien der Eugeniker - die Massenvernichtung der „Nicht normalen Menschen“ vorbereiteten. Damals wurde das Objektiv der Kamera durch die Nazis umfunktioniert zum „gesellschaftlichen Auge“, zum Glasauge der Gesellschaft.
Der Faschismus ist bewältigt. Scheinbar. Massenvernichtung gibt es nicht mehr. Aber das Glasauge ist noch da. Daran hat sich nichts geändert. Davon berichten behinderte Menschen, denen erneut Glasaugen „zu Leibe rücken“, auch, um ihre gesellschaftliche Zuordnung zu bestimmen. Euthanasie ist wieder ein Thema geworden in Deutschland. Der Blick der Nichtbehinderten auf die Behinderung hat oft etwas mit Fremdheit und dadurch mit Angst zu tun, die umschlägt in Abwehr. Dies wird sichtbar - in Bildern und in menschlichem Verhalten.
«Pannwitz ist hochgewachsen, mager und blond; er hat Augen, Haare und Nase, wie alle Deutschen sie haben müssen, und er thront fürchterlich hinter einem wuchtigen Schreibtisch. Ich, Häftling 174517, stehe in seinem Arbeitszimmer, einem richtigen Arbeitszimmer, klar, sauber und ordentlich, und mir ist, als müßte ich überall, wo ich hinkomme, Schmutzflecken hinterlassen. Wie er mit Schreiben fertig ist, hebt er die Augen und sieht mich an. Von Stund an habe ich oft und unter verschiedenen Aspekten an diesen Doktor Pannwitz denken müssen. Ich habe mich gefragt, was wohl im Innern dieses Menschen vorgegangen sein mag und womit er neben der Polymerisation und dem germanischen Bewußtsein seine Zeit ausfüllte; seit ich wieder ein freier Mensch bin, wünsche ich mir besonders, ihm noch einmal zu begegnen, nicht aus Rachsucht, sondern aus Neugier auf die menschliche Seele. Denn zwischen Menschen hat es einen solchen Blick nie gegeben. Könnte ich mir aber bis ins letzte die Eigenart jenes Blickes erklären, der wie durch die Glaswand eines Aquariums zwischen zwei Lebewesen getauscht wurde, die verschiedene Elemente bewohnen, so hätte ich damit auch das Wesen des großen Wahnsinns im Dritten Reich erklärt. Was wir alle über die Deutschen dachten und sagten, war in dem Augenblick unvermittelt zu spüren. Der jene blauen Augen und gepflegte Hände beherrschende Verstand sprach: 'Dieses Dingsda vor mir gehört einer Spezies an, die auszurotten selbstverständlich zweckmäßig ist. In diesem besonderen Fall gilt es festzustellen, ob nicht ein verwertbarer Faktor in ihm vorhanden ist.'»
Der Pannwitz-Blick, nach K. Dörner, Tödliches Mitleid
"Eine in der Öffentlichkeit nach wie vor tabuisierte Problematik wird auf komplexe Weise unter Verwendung unterschiedlicher und zielgerichtet eingesetzter filmischer Mittel erschlossen. Im Gegensatz zu vielen anderen Dokumentarfilmen hat der Kommentar poetische Qualität. Der Film bezieht Stellung, ohne fertige Antworten zu liefern."
(Jury des Deutschen Dokumentarfilmpreises 1991)
"In DER PANNWITZBLICK werden den Aussagen körperlich Behinderter Sequenzen aus Nazi-Filmen gegenübergestellt, aber auch Stellungnahmen der „Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben“ und heutige Lehrfilme. Alles in allem eine sehr genaue Arbeit, die bis zur Wahl des Kommentars (Christian Geissler) und der Musik (Cornelius Schwehr) Vereinfachungen und Klischees vermeidet."
(Heiko R. Blum, Rheinische Post Düsseldorf)